Das Leben eines Amateurschiedsrichters

Das Leben eines Amateurschiedsrichters

„Warum, um alles in der Welt, tust du dir das an? Wie kommt man auf die Idee, sich freiwillig auf eine Tätigkeit einzulassen, bei der man Woche für Woche kritisiert und beschimpft wird?“ Diese Fragen haben wohl schon viele Schiedsrichter auf der Welt zu hören bekommen. Wir gehen den Fragen auf den Grund und versuchen zu klären, warum das Leben eines Amateurschiedsrichters vielleicht nicht immer das Einfachste ist.


Sonntag - 15 Uhr. Es regnet wie aus Kübeln und der Nebel liegt auf der alten Sportanlage im Waldpark. Der schrille Pfiff der Schiedsrichterpfeife ertönt. Die Pfeife, die schon viele Spieler auf dem Weg zum Tor aufhielt. Es ist auch genau die Pfeife, bei der Spieler als Reaktion dem Schiedsrichter gegenüber oft mit fragendem, meist wütendem Blick antworten. Das gut erkennbare Schiedsrichtertrikot schimmert durch die Dichte des Nebels. 12 Minuten später - der nächste Pfiff. Grelles Rot wird aus der Gesäßtasche herausgeholt und hochgehalten. „Schiri du …!“, „bist du blind?!“ hallt es von den Zuschauerrängen. Aber einer lässt sich davon nicht beeindrucken: der Schiedsrichter.


Autorität, Durchsetzungsvermögen und Fingerspitzengefühl

Vom Schiedsrichter werden immer wieder die verschiedensten Eigenschaften abverlangt. Es werden nicht wie bei den Spielern legendäre Finten oder andere atemberaubende Manöver erwartet, sondern er muss „nur“ auf die Einhaltung der Regeln achten. Das ist natürlich leichter gesagt, als getan. Dennoch wird für Schiedsrichter in der Kreisliga von Spielern und Zuschauern eine Leistung erwartet, die der eines Referees in der Champions League entspricht. Spieler echauffieren sich über eine Fehlentscheidung, obwohl sie gerade selbst fünf Fehlpässe nacheinander gespielt haben. Gang und gäbe in den örtlichen Kreisligen, aber das gehört nun mal eben dazu. Emotionen und Fußball – zwei miteinander fest verankerte Punkte. Wenn der ganze Sportplatz bei einer Fehlentscheidung dich beschimpft und die ganzen „Experten“, die selbst noch nie Fußball gespielt haben, dir den Mittelfinger entgegenstrecken. Da können 90 Minuten plus Nachspielzeit schon mal zur Ewigkeit werden.


Schiedsrichter im Amateurfußball – der letzte wahre „Held“

Fußball ohne Schiedsrichter funktioniert nicht, höchstens auf dem Bolzplatz oder auf der Straße. In Deutschland gibt es rund 75.000 Schiedsrichter*innen. Tendenz sinkend. Bei etwa 100.000 Spielen pro Wochenende in Deutschland reicht diese Zahl aber nicht aus, weshalb viele Schiedsrichter sogar mehrere Spiele pro Woche leiten oder Jugendspiele nicht mit offiziellen Schiedsrichtern angesetzt werden können. Das ist auch kein Wunder, wenn man mal die vergangenen Übergriffe auf Schiedsrichter betrachtet. In Brasilien und Mexiko mussten zwei Schiedsrichter ihre Leistungen mit dem Leben bezahlen.

Auch in Deutschland sind Übergriffe auf dem Platz und vor allem gegen den "Mann in Schwarz" längst trauriger Alltag, wenn auch nicht in solch einem tragischen Ausmaß. Dagegen stehen die Vorteile, mit denen die Ausbildung neuer Schiedsrichter schmackhaft gemacht werden soll, in keiner Relation: der Schiedsrichter-Ausweis berechtige oftmals zum freien Eintritt einer Bundesliga-Partie, man sei an der frischen Luft unterwegs und kann durch die Schiedsrichtertätigkeit seine eigene Persönlichkeit fördern. Zudem bieten die 20 € Spesen pro Spiel auch keinen finanziellen Ansporn.

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Auch mit zwei „linken Füßen“ der Leidenschaft Fußball nachgehen

Was also bringt die Schiedsrichter*innen dennoch dazu sich jede Woche aufs Neue beschimpfen zu lassen? Es ist die Leidenschaft zum Fußball! Der Ansporn es besser zu machen, wie einst der Schiedsrichter, der einen vor vielen Jahren zu Unrecht vom Platz gestellt hat. Die Routine mit dem Fahrrad und der Sporttasche hinten drauf in die Nachbardörfer zu fahren, altbekannte Gesichter zu treffen und nach dem Spiel noch ein kaltes Bierchen im Sportheim vor Ort zu trinken. Für manche die Ablenkung vom stressigen Alltag oder das Hobby nach einer geplatzten Fußballerkarriere. Für andere ist es, aber auch das „Chef sein“ auf dem Platz, was den Reiz an der Pfeife ausmacht.

Auch wenn man nicht als Fußballtalent geboren wurde, kann man seiner Leidenschaft nachgehen und, wenn man gut ist, Jahr für Jahr in einer höheren Liga pfeifen. Sobald man es in höhere Sphären geschafft hat, stehen einem Schiedsrichter dann auch zwei Linienrichter zur Seite. Denn ab der Landesliga sind Linienrichter meist üblich und lassen den Schiedsrichter bei kniffligen Situationen nicht ganz alleine.


Es muss sich etwas ändern – von der Kreisliga bis zu den Profis

Damit uns allen der geliebte Sport erhalten bleibt und wir nicht wie in den Anfängen des Fußballs ohne Schiedsrichter auf dem Platz stehen, muss ein Umdenken stattfinden. Der 23. Mann auf dem Platz muss mehr respektiert und Entscheidungen akzeptiert werden. Die Stars in der Bundesliga sind in der Hinsicht keine guten Vorbilder. Dort geht es neben dem Sieg an sich auch noch um ein bisschen Geld. Aber wenn selbst die Schiedsrichter in den Profiligen mit Videobeweis, Linienrichter, Vierten Offiziellen und manchmal sogar Torrichter Fehler machen, wie sollen dann die Amateurschiedsrichter fehlerlos bleiben?! Andere Sportarten machen es dem Fußball vor. Im Rugby sind die Schiedsrichter eine notwendige Instanz, die akzeptiert wird. Sie entscheiden und es wird von allen akzeptiert. Punkt. Genauso beim Volleyball und Handball. Natürlich geraten auch dort Schiedsrichter mal in die Kritik, aber sie werden längst nicht so aggressiv angegangen wie beim Fußball.

An alle Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen dieser Welt: Danke, dass ihr euch Woche für Woche die Pfeife um den Hals hängt! Wir brauchen euch.


Was sind eure Erfahrungen? Seid ihr selbst Schiri? Wir sind gespannt auf eure Geschichten. Und nicht vergessen: „Der Schiedsrichter hat immer Recht, auch wenn er nicht Recht hat" (Vincenzo "Vince" Grella, WM 2006).

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